Wir freuen uns, dass Herr Klemen-Geiger, TC-Koordinator der Carl-von-Weinberg-Schule aus Frankfurt, für ein Interview bereitstand. Wir haben uns mit ihm über die aktuelle Situation an der Schule ausgetauscht.
Strahlemann-Stiftung: „Zu allererst: Wie ist denn die aktuelle Situation an Ihrer Schule?“
Herr Klemen-Geiger: „Da wir eine integrierte Gesamtschule mit angeschlossener gymnasialer Oberstufe sind, haben wir tatsächlich drei Abschlussjahrgänge: Jahrgang 9, in dem einige Schüler:innen (SuS) ihren Hauptschulabschluss machen werden, Jahrgang 10, in dem einige SuS mit ihrem Realschulabschluss abgehen werden und Jahrgang 13, in dem die meisten SuS ihr Abitur machen werden. Diese 3 Jahrgänge sind zurzeit im Wechselmodell anwesend, d.h. die Hälfte der Klasse kommt für eine Woche in die Schule, die andere Hälfte bleibt zuhause. Ich würde sagen, wir sind relativ gut auf die Situation vorbereitet, da wir ein Gleitzeitmodel – wir nennen es Segeln – bereits zu diesem Schuljahr eingeführt haben. Das macht uns das Leben etwas einfacher. Die Idee wäre, dass eines Tages nur zwei Drittel des Unterrichts tatsächlich in den Fächern gehalten werden und das letzte Dritte sind die Segelstunden ‚Selbstgeregeltes Lernen‘, in dem die SuS verpflichtet sind, anwesend zu sein. Im Optimalfall müssen sie nur eine gewisse Anzahl Stunden dokumentieren, hätten aber die Auswahl, ob sie z.B. früh kommen und früher gehen oder später kommen und dafür auch länger in der Schule bleiben – oder vielleicht auch einen sehr langen Arbeitstag mit Früh- und Spätsegeln haben und dafür einen anderen Tag kürzer machen. So könnten sie Tag für Tag, Woche für Woche entscheiden, wie viel Zeit verbringe ich an welchem Tag für welche Aufgaben und tatsächlich auch bei welcher Lehrkraft. Corona bremst uns hier etwas aus, da wir sogenannte Kohorten einhalten müssen, d.h. Schülerdurchmischungen verhindern müssen. Zurzeit sind es fest vorgegebene Stunden, in den die SuS dann einer Lehrkraft zugewiesen sind. Aber immerhin dürfen sie dann in dieser Zeit entscheiden, an welchem Fach möchte ich gerade arbeiten.
Der große Vorteil jetzt während Corona ist, dass wir morgens von 8:30 – 9:30 Uhr einen festes Band haben, an dem alle SuS eine Regelstunde haben und für alle Klassen Kolleg:innen bereitgestellt sind. Nun ist unsere Lösung unter Corona, dass die Wechselklassen, die zuhause sind, für diese Segelstunde morgens Präsenzpflicht online haben. Dadurch sehe sie jeden Morgen ihre Lehrkraft, sprechen kurz darüber, welche Fragen sie haben, ob sie in der Zeit mit meinem Arbeitsplan liegen, was heute zu tun ist und gehen dann mit einem kurzen Checkin in den Arbeitstag. So sind die SuS auch gezwungen, morgens um 8:30 Uhr am PC zu sitzen. Für den zweiten Block ab 9:45 Uhr kommt die andere Hälfte in die Schule und bekommt Unterricht nach Plan. D.h. für diese 3 Jahrgänge im Wechselmodell bekommen wir ein gutes Angebot zustande.
Für die SuS, die aktuell komplett zuhause sind, regelt es jeder Jahrgang selbst. Einige Kolleg:innen bieten ihre Stunden mit der vollen Gruppengröße an, andere halbieren die Gruppen. So sehen die SuS die Lehrkraft zwar nur halb so oft, dafür aber in einer größeren Intensität und sie haben die Möglichkeit, nachzufragen. Über das Schulportal werden verbindliche Abgabefristen vereinbart, Aufgaben herausgegeben und Sprechzeiten angeboten, in den die SuS nachfragen können und dann wird alles digital eingesammelt. Das funktioniert im Wesentlichen ganz gut.“
Strahlemann-Stiftung: „Was findet aktuell rund um die Berufsorientierung statt?“
Herr Klemen-Geiger: „Die Betriebspraktika sind komplett vom Kultusministerium abgesagt worden. Dafür haben wir Ersatzveranstaltungen zusammengestellt. Hierfür sind wir in Kooperation mit einigen Job Wall Partnern und es werden Online-Seminare gestaltet, an denen die SuS teilnehmen können. Für diejenigen, die in Präsenz da sind, haben wir ein erstes Gruppenvideokonferenzsystem angeschafft – tatsächlich von den Geldern aus den Job Wall Erlösen von der Strahlemann-Stiftung – mit dem man eine ganze Klasse auf einmal filmen kann. Dies ist eine Weitwinkelkamera, die sich auf den Sprechenden zudreht. In jedem Raum haben wir einen Beamer und können so externe Partner auf den Beamer projizieren. Sie können sich mit dem Videokonferenzsystem, meistens Big Blue Button, verbinden und so können wir die ganze Klasse davorsetzen und filmen. Die Interaktion funktioniert sehr gut und man könnte sogar weitere SuS von zuhause zuschalten. So können wir das unter Berücksichtigung der Hygienemaßnahmen tatsächlich auf die Beine stellen. Das haben wir in der Form mit dem Jahrgang 8 nicht machen können, da sie komplett zuhause sind. Sie haben sich dann alle über das Videokonferenzsystem eingeloggt und haben einige erfolgreiche Maßnahmen umsetzen können.“
Strahlemann-Stiftung: „Was können Sie uns über die technischer Ausstattung der SuS berichten?“
Herr Klemen-Geiger: „Wir haben in Frankfurt das Glück, dass die Stadt relativ unbürokratisch unserer Schule 130 Laptops zur Verfügung gestellt hat. Jede Schule hat ca. für 10 % ihrer SuS Laptops zur Verfügung gestellt bekommen. Damit haben wir tatsächlich den größten Teil unserer Schülerschaft online und arbeitsfähig. Man kann natürlich nicht davon ausgehen, dass jeder zuhause einen Drucker besitzt, das ist ein Problem. Das WLAN ist auch häufig wackelig, die SuS können häufig nur zusehend teilnehmen und nicht ihr eigenes Video übertragen. Aber man bekommt es alles hin.
Wir haben hier in Frankfurt die luxuriöse Situation, dass die aller meisten – deutlich über 90 % – es wirklich hinbekommen, ins Internet zu kommen und an den Meetings teilzunehmen. Es ist nicht die Situation, wie im ersten Lockdown, dass die SuS aufgrund mangelnder technischer Ausstattung hinten runterfallen. Es ist trotzdem ganz sicher so, dass ganz besonders sozial schwache Schüler benachteiligt sind, da vielleicht die Struktur von zuhause fehlt oder dass sie zuhause dazu angehalten werden, auch nach dem Meeting weiterzuarbeiten. Teilweise existieren auch nicht die richtigen Arbeitsbedingungen. Eine Schülerin von mir wohnt mit ihren Eltern und ihren sechs Geschwistern in einer 3-Zimmer-Wohnung. Da wird es einfach eng. Da muss man schauen, wie man sich die Zeit freischaufeln kann, in Ruhe zu arbeiten. Hier wird es einfach sehr schwierig. Dann braucht es sehr viel persönliche Resilienz, um mit so einer Situation zurecht zu kommen.“
Strahlemann-Stiftung: „Wäre das Projekt Talent Elements denn aktuell interessant für Sie?“
Herr Klemen-Geiger: „Wir sind aktuell hierzu noch im Austausch, aber haben durchaus großes Interesse, uns zu bewerben.“
Strahlemann-Stiftung: „Vielen Dank für Ihre Bereitschaft für die Teilnahme an dem Interview und die Einblicke in die aktuelle Situation an Ihrer Schule!“
Herr Klemen-Geiger: „Sehr gerne, es ist immer wieder eine fruchtbare Kooperation mit der Strahlemann-Stiftung!“